5 Fragen an Prof. Dr. Monika Gappa
Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf; Präsidentin der European Respiratory Society; Mitglied des Vorstands der Deutschen Atemwegsliga; Beisitzerin im Vorstand der Deutschen Lungenstiftung e.V.
Was motiviert Sie, am Jahrzehnt der Lunge mitzuwirken?
Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an chronischen Lungen- und Atemwegserkrankungen. Bei Kindern und Jugendlichen ist Asthma ist etwa die weit verbreitetste chronische Erkrankung – Tendenz steigend1. Dazu kommen die akuten infektiösen Lungenerkrankungen, die gerade in Kinderkliniken jeden Herbst und Winter erhebliche Probleme bereiten. Trotz ihrer weitreichenden Auswirkungen auf alle Altersgruppen, von Kindern bis zu älteren Menschen, haben chronische Lungen- und Atemwegserkrankungen bislang nicht die erforderliche gesundheitspolitische Beachtung in Deutschland gefunden. Meine Motivation am Jahrzehnt der Lunge mitzuwirken, speist sich deshalb aus der absoluten Notwendigkeit, die Öffentlichkeit für Erkrankungen der Lunge zu sensibilisieren und die Politik auf den akuten Handlungsbedarf für ein sektorenübergreifendes Vorgehen aufmerksam zu machen. Unser Ziel ist eine bessere Prävention, Früherkennung und Versorgung von Betroffenen, um den Volkskrankheiten der Lunge endlich entgegenzutreten.
Welche politischen Änderungen oder Initiativen halten Sie für entscheidend, um die Versorgung von kindlichem Asthma zu verbessern?
Entscheidend für eine bessere Versorgung sind sektorenübergreifende Initiativen, die die Bedeutung von Atemwegserkrankungen auf eine Stufe mit anderen Volkskrankheiten stellen. Mit dem Jahrzehnt der Lunge schaffen wir eine koordinierte Anstrengung zahlreicher Akteure im Gesundheitswesen, um sicherzustellen, dass Atemwegserkrankungen in ihrer Komplexität erfasst und politisch behandelt werden. Für mich liegt ein Schwerpunkt auf Präventionsmaßnahmen, Früherkennung und Aufklärungsarbeit. Wenn wir frühzeitig Einfluss auf die Gesundheitsverläufe betroffener Kinder nehmen, können wir Fälle ganz vermeiden oder frühzeitig mit der richtigen Therapie beginnen.
Gibt es politische Maßnahmen im europäischen Ausland, die Sie besonders unterstützen oder befürworten?
Besonders hervorheben möchte ich die impulsgebenden Advocacy-Projekte der European Respiratory Society (ERS): Neben der Organisation zahlreicher Veranstaltungen, etwa dem Austausch zwischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments über die Lungengesundheit von Kindern, hat die ERS in Kooperation mit der European Lung Foundation auch die Kampagne "Healthy Lungs for Life" ins Leben gerufen. Die Initiative setzt sich dezidiert für eine bessere Luftqualität, Tabakrauchprävention, die Förderung körperlicher Aktivität, bessere Impfprävention und den Klimaschutz ein. Themen, für die wir uns auch im Rahmen des Jahrzehnts der Lunge einsetzen.
Sie sind Präsidentin der European Respiratory Society (ERS). Sehen Sie politischen Handlungsbedarf auf europäischer Ebene, um den Volkskrankheiten der Lunge Einhalt zu gebieten?
Absolut – als Präsidentin der ERS sehe ich einen dringenden Handlungsbedarf auf europäischer Ebene. Es ist entscheidend, die Aufmerksamkeit für die Prävention von Lungenkrankheiten zu erhöhen, die "Luftqualität" zu verbessern, Maßnahmen zum Klimaschutz zu verstärken und die Bevölkerung zu mehr körperlicher Aktivität zu motivieren. All das sind Maßnahmen, die mit großer Wirkung auf europäischer Ebene initiiert werden müssen, um vermeidbaren Fällen entgegenzutreten und damit die individuelle und gesellschaftliche Krankheitslast zu reduzieren.
Welche Forderung des Politischen Kompasses ist Ihnen besonders wichtig?
Obwohl mir alle Forderungen des "Politischen Kompasses" wichtig sind, liegen mir die ersten beiden aus dem Teil "Prävention und Früherkennung" besonders am Herzen. Zum einen müssen chronische Lungen- und Atemwegserkrankungen schwerpunktmäßig im "Nationalen Präventionsplan" berücksichtigt werden, um der Bedeutung der Indikationen Rechnung zu tragen. Zum anderen gilt es die "Tabakprävention", insbesondere im Sinne der Kinder, zu priorisieren: Raucher:innen gefährden sich selbst, aber auch die Menschen und insbesondere Kinder in ihrem Umfeld, und erhöhen das Risiko, an chronischen Lungen- und Atemwegserkrankungen zu erkranken. Als Jahrzehnt der Lunge fordern wir deshalb eine Initiative "Deutschland rauchfrei 2030" , die das Ziel verfolgt, den Anteil der Raucher:innen von aktuell 23,8 Prozent auf unter 10 Prozent zu senken2 (Vorbild: Neuseelands „Smokefree Aotearoa 2025“ ). Für die Altersgruppe der 10- bis 19-Jährigen beträgt die Diagnoseprävalenz bei Asthma rund 8,3 Prozent, wobei ein zunehmender Trend zu beobachten ist3. Mit über einer Million Betroffenen ist Asthma damit die häufigste chronische Lungen- und Atemwegserkrankung unter Kindern und Jugendlichen. Asthma muss deshalb unbedingt in der geplanten Früherkennungsuntersuchung für Kinder zwischen 9 und 10 Jahren (U10), die derzeit vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geprüft wird, schwerpunktmäßig berücksichtigt werden.
1A. Gillissen et al. (2023). Weißbuch Lunge 2023. Verfügbar unter: https://pneumologie.de/storage/app/media/uploaded-files/20230320_Wei%C3%9Fbuch_Lunge_2023.pdf
2Bundesministerium für Gesundheit (2024). Rauchen. Verfügbar unter: https://pneumologie.de/storage/app/media/uploadedfiles/20230320_Wei%C3%9Fbuch_Lunge_2023.pdf
3A. Gillissen et al. (2023). Weißbuch Lunge 2023. Verfügbar unter: https://pneumologie.de/storage/app/media/uploaded-files/20230320_Wei%C3%9Fbuch_Lunge_2023.pdf